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Keine Geschäftsführerhaftung bei Zahlungen nach Insolvenzreife – BGH vom 05.05.2008 – Az. II ZR 38/07

admin 2. Juli 2008    

Ein Insolvenzverwalter einer GmbH nahm den ehemaligen Geschäftsführer auf Erstattung von Zahlungen in Anspruch, die dieser vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst hatte. Die Gesellschaft war Teil eines Konzerns. Nachdem der Konzern in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, ließen die anderen Konzerngesellschaften an sie gerichtete Zahlungen in Höhe von mehr als 500.000 Euro auf das Geschäftskonto der GmbH überweisen, um eine Vereinnahmung der Gelder durch ihre Hausbanken zu verhindern. Von diesem Geschäftskonto ließ der beklagte Geschäftsführer insgesamt 329.980 Euro an Gläubiger der anderen Gesellschaften auszahlen. Am selben Tag beantragte er für diese Gesellschaften, deren Geschäftsführer er ebenfalls war, die Eröffnung der Insolvenzverfahren. Kurz darauf stellte er auch für die GmbH einen Insolvenzantrag.

Der Bundesgerichtshof wies die Klage gegen den ehemaligen Geschäftsführer ab. Zentrales Problem des Falles war die Frage, ob die Pflicht des Geschäftsführers zur Massesicherung nach § 64 Abs. 2 GmbHG auch dann eingreift, wenn er nach Insolvenzreife der eigenen Gesellschaft Gelder auszahlt, die der Gesellschaft lediglich treuhänderisch von anderen Konzerngesellschaften überlassen wurden. Der Senat nahm an, dass grundsätzlich auch diese Gelder unter den Schutz des § 64 Abs. 2 GmbHG fallen, weil sie in der Insolvenz nicht von den anderen Gesellschaften herausverlangt werden können, sondern endgültig in die Insolvenzmasse fallen und damit zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zu verwenden sind.

Die Bundesrichter verneinten aber trotzdem eine persönliche Haftung des Ex-Geschäftsführers, weil dieser in der konkreten Situation mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gehandelt hatte. Dafür war ausschlaggebend, dass den Geschäftsführer mit den anderen Konzerngesellschaften ein besonderes Treueverhältnis verband, indem er die allein diesen Gesellschaften zustehenden Gelder zu dem Zweck entgegengenommen hatte, damit deren Schulden zu begleichen. Er war einerseits gehalten, die Gelder für die Insolvenzmasse der GmbH zu sichern, andererseits musste er aufgrund des Treueverhältnisses zu den anderen Gesellschaften die Zahlungen an deren Gläubiger leisten. Ein Geschäftsführer handelt nicht sorgfaltswidrig, wenn er in einer derartigen Pflichtenkollision die Gelder auszahlt.

Urteil des BGH vom 05.05.2008
Aktenzeichen: II ZR 38/07
Betriebs-Berater 2008, 1013

Handelsrecht u. Gesellschaftsrecht Urteile Insolvenzrecht Urteile
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